Juni 2013 20.000 Bücher in 36 Sprachen Das Seminar für Iranistik der Georg-August-Universität Göttingen gilt als eines der wenigen und wichtigsten Zentren für iranische Studien in Deutschland und hat als Schwerpunkt das Erlernen der kurdischen Sprache und das Studium der kurdischen Kultur und Religion als Teil der iranischen Kulturwelt. Die Kurdologie zählt zu den wenigen akademischen Institutionen in Deutschland, in denen die kurdische Sprache offiziell auf B.A.- und M.A.-Niveau unterrichtet wird. Interdisziplinäre Forschung bildet die Basis für die Kurdologie, die ein breites Themenspektrum abdeckt. Am hiesigen Seminar werden besonders die kurdische Sprache, mündlich überlieferte Literatur und kurdisch religiöse Traditionen erforscht.
Die Exkursion des Seminars für Iranistik mit Schwerpunkt Kurdologie nach Wien*
Vom 25.04. bis zum 29.04.2013 besuchte eine 8-köpfige Gruppe, die größtenteils aus Studierenden der Iranistik mit Schwerpunkt Kurdologie bestand, das
Zu Beginn der Exkursion besichtigten die Teilnehmenden Schloss Schönbrunn, das als Residenz zahlreicher Habsburger Kaiser/innen diente und natürlich konnte man auch die Wohnräume von Kaiser Franz Joseph I. und der „legendären“ Kaiserin Elizabeth „Sissi“ von Österreich besichtigen. Nach einem Spaziergang im Schlosspark bei strahlendem Sonnenschein ging es weiter zum eigentlichen Programm der 9. kurdischen Buchmesse, die vom Verband der Vereine aus Kurdistan (KOMKAR) organisiert wurde. Auf der Buchmesse konnten die Studierenden nicht nur die wissenschaftlichen und literarischen Produkte der kurdische Welt erforschen sondern sich auch an kurdischen Spezialitäten laben, um danach an der Diskussion über das kurdische soziale Leben in Europa teilzunehmen.
Das Wochenende verbrachte die Gruppe am Institut für Kurdologie im schönen Wiener Wald, um einen Workshop zu aktuellen kurdischen Themen abzuhalten. Das Institut für Kurdologie ist ein privater Verein, der 1994 unter anderem von dem berühmten Kurdologen Prof. Dr. Jalile Jalil gegründet wurde, um „die bedrohte kurdische Sprache, Kultur und Identität lebendig zu halten und zu stärken“ (Aussage von Prof. Jalil bei der Präsentation der kurdische Bibliothek am selben Tag). Für ihn ist die Bibliothek Jasme Jalil das Herzstück des Instituts und wurde nach seinem Vater benannt. Die Familie Jalil trug über Jahrzehnte eine Sammlung aus 200 Zeitungen und 20.000 Büchern mit für die Kurdologie relevanten Themen in 36 Sprachen zusammen, die sich heute in besagter Bibliothek befindet und einen wichtigen Beitrag für die Erforschung der kurdischen Kultur liefert. An jenem Wochenende war es den Studierenden aus Göttingen vergönnt in dieses Bibliothek ausgiebig zu stöbern und sich mit Material zu versorgen.
Neben der Zeit in der Bibliothek hielten alle Teilnehmenden im Rahmen eines Workshops auch Vorträge zu aktuellen Themen der Kurdologie, wie z.B. die aktuelle Situation der Kurdologie in Europa, die Rolle der Frauen in der kurdischen Nationalbewegung, über Frauenorganisationen im kurdischen Teil der Türkei, die mündliche Überlieferungstradition der Dengbêj und Aşik (i.e. professionelle Volksliedsänger), über kurdische Stammeskultur sowie über jesidische Rituale u.v.m.
Ein großes Highlight war die Vorführung der ersten kurdischen Filmproduktion. "Zare" (Kurd. Zerê) ist ein Stummfilm aus dem Jahr 1926, der die gesellschaftlichen Strukturen der Kurden im Kaukasus zur Zeit des Ersten Weltkrieges herausragend gut darstellt. Die einzige Kopie dieses Films (mit Untertiteln) befindet sich am Institut für Kurdologie / Wien.
Bevor es wieder nach Göttingen ging, trafen sich die Exkursions-Teilnehmenden noch mit Thomas Schmidinger und Christoph Osztovics von der Österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie. Nach orientalischer Sitte tauschte man sich bei Fleisch und Reis (Kurd. goşt û birinc) intensiv über bestehende und künftige Projekte (z.B. Neuauflage der Reihe „Kurdische Studien“ und Herausgabe der Reihe „Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie“, gemeinsamer Workshop in Göttingen, etc.) aus und knüpfte Kontakte, die dem Einen oder Anderen vielleicht nochmal zu Gute kommen können.
Für die Studierenden waren es vier sehr produktive und fruchtbare Tage. Sie waren begeistert über die Chance, ihr im Studium erlerntes Wissen am Institut für Kurdologie zu vertiefen und neue Erfahrungen zu gewinnen.
* Bericht von den Teilnehmenden der Exkursion:
Dr. Khanna Omarkhali, Eva Knuth, Arif Biter, Roland Staib, Johanna Holzmeier, Demet Celik, Khorshid Khodabakhshreshad, Sevda Evcil
Foto von: Dzhamalis Alionis
veröffentlicht in der Göttinger Campuszeitung Augusta Ausgabe 30 vom 26. Juni 2013, Seite 9