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Press release: Schüler greifen nach den Sternen

Nr. 34/2000 - 17.03.2000

Universitäts-Sternwarte macht Lehrer für das „Hands-On-Universe“-Projekt fit –
Fortbildungskurs mit Vorträgen vom 29. März bis 1. April 2000 in Göttingen

(pug) Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Jahr 2000 zum „Jahr der Physik“ erhoben. Dies ist eine wichtige Geste in einer Zeit, in der ein Mangel an naturwissenschaftlicher Ausbildung und eine mangelnde Bereitschaft zu naturwissenschaftlichem Denken offenbar wird. Die Situation des Faches Physik an deutschen Schulen und Hochschulen ist keineswegs hervorragend und vor allem geprägt durch ein Desinteresse der Schüler/innen und damit der potenziellen Studenten/innen sowie den späteren Arbeitnehmer/innen und Unternehmer/innen in diesem Bereich.

Die deutsche Bildungslandschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass Physikunterricht ausfällt und an vielen Gymnasien oder anderen Schulen mit gymnasialer Oberstufe keine Leistungskurse in Physik zustande kommen. Die Zahl der Studienanfänger an Universitäten ist seit Anfang der 90er Jahre um mehr als den Faktor zwei gesunken; der Anteil der Studentinnen und Professorinnen in Deutschland liegt weit hinter denen bei unseren europäischen und nordamerikanischen Nachbarn und sogar vielen Zweit- und Drittweltländern zurück. Der Arbeitsmarkt für Physiker, die bereit sind, in den Anwendungen der Datenverarbeitung tätig zu sein - Alltag in der Ausbildung an deutschen Universitäten - , ist exzellent und deshalb praktisch wie leergefegt. Diplomierte und promovierte Physiker/innen finden heute alle einen sehr guten Job in einem akademischen oder industriellen Umfeld. Es ist offenbar erforderlich, viel stärker als bisher für eine Tätigkeit in diesem Bereich zu werben.

Das aktuelle und zumindest zwiespältige Schlagwort „Kinder statt Inder“ kann so interpretiert werden, dass eine bessere Ausbildung und Werbung für eine Berufstätigkeit in den Bereichen Physik, Informatik und Datenverarbeitung dringend erforderlich ist. Das Bildungssystem liefert offensichtlich nicht genügend naturwissenschaftlich und technisch interessierte Schüler/innen und Student/innen. Dabei haben präpubertäre Schüler/innen noch ein intensives Interesse an naturwissenschaftlichen Fragestellungen, d.h. an allem, „was unsere Welt zusammenhält“.

Insbesondere die Astronomie ist ein Bereich, der sich eines steten öffentlichen Interesses sicher sein kann, vielleicht weil die dort angesprochenen Fragen so grundsätzlich sind und keine missbräuchlichen Anwendungen befürchten lassen. Astronomie ist insbesondere in den USA ein ganz wesentlicher Bereich, in dem für die Beschäftigung mit Naturwissenschaft geworben wird. Physiker wissen, dass das Studium der grundliegenden mikro- und makroskopischen Struktur des Universums nicht nur Spaß macht, sondern auch gute Berufschancen bietet.

Was kann die Universität und speziell ihre Fakultät für Physik tun, um diese Defizite zu beseitigen? Die Universität kann und will nicht die Arbeit der Physiklehrer an den unterschiedlichen Schultypen ersetzen, aber sie kann diesen moralische Unterstützung geben, indem sie für eine bessere Ausstattung der Schulen eintritt, und faktische Unterstützung, indem sie den Kontakt zu Schulen verstärkt und durch Lehrerfortbildungsseminare die Arbeit der Lehrer fördert. Sie kann den Lehrern/innen auch neue, motivierende Arbeitsmöglichkeiten anbieten, um den Physik-, den Mathematik- und den Informatikunterricht ansprechender zu gestalten.

Als eine solche Aktivität veranstaltet die Universitäts-Sternwarte der Fakultät für Physik der Georgia Augusta vom 29. März bis 1. April 2000 in Göttingen eine Lehrerfortbildung besonderer Art, einen Kurs über das „Hands-On-Universe“-Projekt (HOU).

HOU ist ein an der Universität von Kalifornien in Berkeley ausgearbeitetes Curriculum, das Schüler/innen die Erkundung des Universums ermöglicht, indem sie die erforderlichen Bilder aus dem Internet beziehen oder selbst an speziellen, dafür bereitgestellten Teleskopen Beobachtungen durchführen. Dabei lernen sie, Konzepte aus den Naturwissenschaften, der Mathematik und der Technologie selbst anzuwenden. Über das Internet beziehen HOU-Klassen aus den ganzen Welt Beobachtungen von robotischen Teleskopen oder steuern über das Internet sogar die Teleskope und machen Beobachtungen selbst, um dann die Daten mit Hilfe einer benutzerfreundlichen PC-Software zu bearbeiten. Jeder Versuch dient dazu, das Internet sinnvoll zu benutzen, den Einsatz von Computern für naturwissenschaftliches Arbeiten zu üben und möglichst selbstständiges Tun der Schüler/innen zu fördern. Dabei geht es z.B. um die Messung der Höhen von Mondkratern, die Untersuchung der Masse des Planeten Jupiter oder das Entdecken eines explodierenden Sterns (d.h. einer Supernova) in einer entfernten Galaxie. Die „Lawrence Hall of Science“ der Universität von Kalifornien in Berkeley hat dieses Konzept seit ca. sieben Jahren mit Hilfe von vielen Schulen, Museen und Sternwarten mit Finanzierung durch die amerikanische „National Science Foundation“ entwickelt. Inzwischen wird HOU in mehr als 500 Klassenzimmern eingesetzt - in den USA, in Australien, Italien, Japan, Schweden und bald in Brasilien, Frankreich und Großbritannien. In Deutschland wird HOU aufgrund einer Initiative der TU München im dortigen Umkreis eingesetzt.

Jetzt hat auch eine Arbeitsgruppe an der Universität Göttingen Aktivitäten in diesem Bereich entwickelt und wird Schulen im Einzugsbereich von Göttingen dieses Projekt nahe bringen. Achtundzwanzig niedersächsische Lehrer und Lehrerinnen aus den Regierungsbezirken Braunschweig und Hannover, eine thüringische Kollegin und ein Lehrer aus Nordhessen haben sich für den auf 30 Teilnehmer limitierten HOU-Kurs in Göttingen angemeldet. Der Kurs bietet außer der Einführung in die HOU Bildverarbeitungssoftware und kurzen wissenschaftlichen Vorträgen mehrere weitere Höhepunkte:

Die Hauptreferenten, Drs. Josef Jochum und Andreas Kratzer von der TU München, werden eine „Live“-Schaltung zu einem Teleskop in Australien oder Japan über das Internet schalten. Damit können die Lehrer per Mausklick ihre eigenen Beobachtungen von Planeten und Galaxien machen - genauso wie später ihre Schüler/innen.

Prof. Carl Pennypacker, einer der Gründer vom „Hands-On-Universe“, wird nicht nur über die vielfältigen Aktivitäten von HOU-Gruppen in aller Welt berichten, sondern auch über die bahnbrechenden kosmologischen Arbeiten seiner Arbeitsgruppe in Berkeley, zu der sogar manche Schulklassen wissenschaftlich wertvolle Beiträgen liefern. Außerdem wird er über den Aufbau eines internationalen Netzwerks von Teleskopen berichten, die im Rahmen von „Hands-On-Universe“ bald Schulen zur Verfügung stehen sollen.

Dr. Frederic Hessman von der Göttinger Universitäts-Sternwarte wird über das geplante „MONET“-Projekt - auf Englisch „MOnitoring NEtwork of Telescopes“ - berichten, das niedersächsischen und voraussichtlich nordrhein-westfälischen Schulen den Zugang zu Teleskopen verschaffen soll und gleichzeitig der Lehre an der Universität und der aktuellen Forschung vielfältige neue Beobachtungsmöglichkeiten eröffnen soll.

Prof. Kree, Dekan der Fakultät für Physik, wird über den Stand der Vorbereitungen für das „XLAB“-Projekt - ein „Experimentallabor für junge Leute“ - berichten, das in Göttingen entstehen soll und Schülern/innen in ganz neuer Weise Physik zum Anfassen bieten wird.


Zu den Veranstaltungen und Internet-Vorführungen am 29. März bis 1. April 2000 sind die Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen herzlich eingeladen.


Mehr Informationen über das „Hands-On-Universe“- und das „MONET“-Projekt
können im Internet bezogen werden über:
http://www.astro.physik.uni-goettingen.de/~hou
http://www.astro.physik.uni-goettingen.de/~hessman/MONET


„Hands-On-Universe“ (TM) ist ein eingetragenes Warenzeichen der Lawrence Hall of Science an der Universität von Kalifornien in Berkeley.


Weitere Informationen:

Dr. Frederic V. Hessman
Prof. Dr. Klaus Beuermann
Universitäts-Sternwarte
Geismarlandstr. 11
37083 Göttingen

hessman@astro.physik.uni-goettingen.de
http://www.astro.physik.uni-goettingen.de/~hou